Christian von Treskow inszeniert in Wuppertal
Thomas Melles Weltverschwörungsdrama „Eine Billion Dollar“ nach dem Roman von Andreas Eschbach Uraufführung am 25.9.2009 Inszenierung: Christian von Treskow - Ausstattung: Dorien Thomsen, Sandra Linde - Musik: Sebastian Weber - Fotos: Michael Hörnschemeyer Besetzung: Gregor Henze (John Fonatanelli) - Lutz Wessel (Malcolm McCaine) - Sophie Basse (Constantina Volpe) - Prof. Harlan Collins (Andreas Ramstein) - Patricia deBeers (An Kuohn) - Daniel Breitfelder (Marvin Copeland) - Anne-Cathérine Studer (Ursula Valen) - Marco Wohlwend (Eduardo Vacchi) - Thomas Braus (Cristoforo Vacchi) - Maresa Lühle (Maricarmen Berthier) - Holger Kraft (Randolph Bleeker) - Andreas Möckel (Paul Siegel) - Leon Kuhlmann (Giacomo Fontanelli)
Eine Billion auf der (Sitz-)Bank
Es wäre alles so einfach geblieben, die Welt wäre ihren den immer selben Regeln folgenden Gang
Das ist der Plot des 734 Seiten starken Romans von Andreas Eschbach. Schon da hinkt die Story mächtig. Das muß erlaubt sein, Eschbach ist SF-Autor, immerhin Träger des Kurd-Laßwitz-Preises. Er darf das. Thomas Melles hat das nicht nur seitenstarke, sondern auch wortgewaltige Werk in eine Bühnenfassung gebracht, die am vergangenen Freitagabend im als „Kleines Haus“ wiederbelebten Foyer des zur Generalrenovierung seit Januar geschlossenen Wuppertaler Schauspielhauses ihre Uraufführung erlebte. Wie man dort auf den festgeschraubten Bänken sitzt, kam postwendend aus dem Publikum: „Hier kommste dir vor wie im Flieger in der Holzklasse“ (O-Ton). Was Sie liebe Leser
Schulmeisterei und Kolportage
Die Geschichte dieses unerwarteten Erbes und des völlig überrumpelten Erben wird von zwölf Personen, teils in der Form der Sprechchöre der griechischen Tragödie erzählt. Nehmen Sie das bitte wörtlich, denn es gibt weniger eine Spielhandlung, als eine durch gesprochene Romantextstellen verknüpfte Folge von Skizzen, die eher wie eine Graphic Novel wirken. Da kommt früh der Gedanke auf, warum man das Ganze nicht gleich als Hörspiel produziert hat. Und bald schon – der Eindruck hält bis zum Schluß – drängt sich der Eindruck auf, das Ziel-Publikum der Veranstaltung sei falsch gewählt worden. Das richtet sich nicht gegen das interessierte und am Ende zum Teil frenetisch claqu..., pardon, jubelnde Publikum, sondern gegen die unendlich seichte Schulmeisterei des Stückes.
Hier werden Mechanismen der Weltmärkte, des internationalen Finanzgefüges und der politischen Abhängigkeiten so pennälerhaft anklagend zum –zigsten Mal durchgekaut, als habe man nicht alles schon in aller Deutlichkeit zur Kenntnis genommen. Auch die Spinne im Netz in Gestalt des undurchsichtigen Malcolm McCaine (Lutz Wessel) fehlt nicht. Ihm hingegen fehlt die Thriller-Dynamik des Bösen. Nun gut, am Vorabend der G-20-Konferenz über den internationalen Geldmarkt immerhin eine Pointe, aber sonst nicht mehr als ein mit erheblichen Längen als Schultheater inszenierter Kolportageroman. Zu lang, um unterhaltsam zu sein, zu vollgestopft mit Botschaften, die wir bis zum Erbrechen kennen. Was will uns der Autor, dem der Brechtsche Biß fehlt, damit sagen? Und was die in eine Turnhalle verlegte Inszenierung? Dann noch belehrend, jedoch wenig schlüssig die globale Erderwärmung und zum üblen Ende auch noch die Weltverschwörung einzuführen... Nein, genug!
Personal: Plus und Minus Immerhin hat Christian von Treskow es geschafft, den Faden des Erzählstromes nicht abreißen zu lassen, trotz einiger Aussetzer eine enorme Ensemble-Leistung übrigens, was den Zuhörer doch überwiegend bei der Stange hält. Einige Figuren und ihre Darsteller ragen aus dem Dutzend + 1 heraus: das ist vor allem Gregor Henze, der den vom Wohlstand überrumpelten Simpel glänzend verkörpert. Seine Kunst, bis zum ersten von ihm gesprochenen Wort 20 Minuten lang nur mit Mimik zu arbeiten, überzeugt. Hervorragend auch Thomas Braus als greiser Bank-Seniorchef Cristoforo Vacchi und als verfetteter Klein-Banker auf den Philippinen. Er ist wie Andreas Möckel, der den vielschichtigen Paul Siegel gibt, eine bekannte Größe auf der Wuppertaler Bühne. Verlaß ist auf beide. Von Marco Wohlwend als Eduardo Vacchi hätte man gerne mehr gesehen, er hat Charisma, Eleganz und Feuer. Aus der Riege der Damen konnte nur die junge Schweizerin Anne-Cathérine Studer als Ursula Valen durch
Hornberger Schießen
Wie die Geschichte ausgeht, ist eigentlich uninteressant, liegt jedoch auf der Hand – wie das Hornberger Schießen. Etwa so wie die Bundestagswahlen heute, 27. September 2009. Haben Sie schon Ihren Stimmzettel abgegeben? Bitte, gehen Sie dennoch hin, tun Sie es! Auch wenn kein demokratisch gewählter Weltbeauftragter dabei herauskommt, könnte Ihre Stimme das Zünglein an der Waage sein. Weitere Informationen und Termine unter: www.wuppertaler-buehnen.de |